Methoden
Zentrale Idee des als Handlungsforschung angelegten Projekts ist ein Methoden-Mix aus wissenschaftlicher Literatur- und Datenanalyse sowie partizipativen Elementen, in denen sich die Praxispartner*innen mit eigenen Erfahrungen, Ideen und kritischem Feedback einbringen können. Veränderungsimpulse sollen auf diese Weise in enger Zusammenarbeit mit Praktiker*innen und orientiert an konkreten Umsetzungsmöglichkeiten entwickelt und verbreitet werden.
Historisch-theoretische Einordnung
Ausgangspunkt der Überlegungen zum Projekt war die Feststellung eines Widerspruchs zwischen einer durch transnationale Mobilität gekennzeichneten Migrationsgesellschaft und einer auf dauerhaften Verbleib ausgerichteten Bildungspolitik. Wie sich dieser Widerspruch in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland entwickelt hat, wurde auf der Basis von Literatur, Empfehlungen der Kultusministerkonferenz und Statistiken nachvollzogen und theoretisch eingeordnet. Ergebnis sind zwei TraMiS-Arbeitspapiere.
Vignetten
Als Diskussionsimpulse für Interviews wurden Vignetten eingesetzt. Das sind kurze Fallgeschichten von transnational mobilen Schüler*innen. Auf der Grundlage von explorativen Interviews und Forschungsliteratur wurden reale Fälle gesammelt und daraus sechs verdichtete Fallgeschichten mit realistischen Situationen entwickelt. Jede Vignette weist auf andere Aspekte hin, sodass schulische Reaktionen auf ein breites Spektrum möglicher transnationaler Erfahrungen im Jugendalter gefragt sind. Die illustrierten Vignetten stehen als Material für Bildung und Weiterbildung zur Verfügung und werden im Einzelnen kurz vorgestellt.
Workshops und Schulbesuche
Die Vignetten kamen zum ersten Mal bei einem Workshop mit Schulleitungsmitgliedern der kooperierenden Schulen im Frühjahr 2019 zum Einsatz. In drei kleinen Diskussionsgruppen wurde nach eigenen Erfahrungen sowie realen und wünschenswerten Handlungsoptionen zu den Vignetten gefragt. Darauf folgten mehrtägige Besuche bei allen TraMiS-Schulen. Dort wurden die Vignetten mit Lehrkräften und Eltern diskutiert. Die Perspektive von Schüler*innen konnte durch Unterrichtsprojekte eingeholt werden. Im Anschluss an den Besuch wurden erste Eindrücke sowie identifizierte Entwicklungsbedarfe und ‑impulse für jede Schule in einem Blogbeitrag veröffentlicht. Bei einem zweiten Schulworkshop im Frühjahr 2020 – unmittelbar vor den coronabedingten Schulschließungen – war dann jede Schule mit zwei bis drei Personen vertreten. Auf der Grundlage vorläufiger Projektergebnisse und im Austausch mit internationalen Gästen wurden Ideen für bildungspolitische Veränderungen und Umsetzungsmöglichkeiten an den jeweiligen Schulen diskutiert.
Internationale Impulse
Um Impulse aus dem Ausland zu erheben, wurden exemplarisch vier Länder ausgewählt, die von den Teammitgliedern in 2019 besucht wurden. In diesen konnte das TraMiS-Team – nach Stand der Forschung und Vorgesprächen mit Länderexpert*innen – interessante Ideen und Konzepte vermuten, die für das deutsche Schulsystem wegweisend sein können. In New York (USA), Stockholm (Schweden), Bozen (Italien) und Winnipeg (Kanada) wurden dazu Schulen besucht, die Beobachtungen protokollarisch dokumentiert sowie Expert*innen zum Verständnis der lokalen und nationalen Rahmenbedingungen interviewt. Ergebnis sind vier TraMiS-Arbeitspapiere, die Anregungen für schulische Praxis in Deutschland geben.
Datenbasis und Auswertung der Vignettendiskussionen
Die Datenbasis für die systematische Auswertung bilden drei transkribierte Gruppendiskussionen des ersten Workshops mit Schulleitungsmitgliedern, in einer Exceltabelle strukturierte Kurzprotokolle mit Erfahrungen, schulischen Handlungsoptionen und Ideen aus 40 Interviews und 12 Schülerprojekten, 16 ausführliche ethnographische Protokolle von Schulbesuchen im In- und Ausland und eine ausführliche Dokumentation der Diskussionen im zweiten Workshops mit Feedback zu vorläufigen Ergebnissen. Mit der inhaltsanalytischen Auswertung von drei Gruppendiskussionen wurde eine Basis zum Verständnis von Handlungsoptionen und –barrieren in den Vignettenfällen gelegt. Diese wurde durch zusätzliche Aspekte aus den strukturierten Kurzprotokollen von Gesprächen mit Lehrkräften, Eltern und Schüler*innenprojekten systematisch ergänzt und durch die Schulbesuchsprotokolle kontextualisiert. Zu allen Vignetten wurden Auswertungsberichte erstellt und in einem Team-Workshop diskutiert, wobei Querschnittsthemen identifiziert wurden.
Impulse für die schulische Praxis und Bildungspolitik
Auf der Basis der Auswertungen hat das TraMiS-Team für jeden Vignettenfall zunächst zwei Szenarien entwickelt: Das Real-Szenario beschreibt, wie Schulen heute in der Regel mit dem entsprechenden Fall umgehen (können). Kontrastierend wurde ein Ziel-Szenario entworfen, in dem die Bildungsbedarfe der Jugendlichen besser berücksichtigt sind, um dies als Entwicklungsperspektive mit den schulischen Partnern zu diskutieren. Nach der Diskussion der Szenarien im zweiten Workshop wählte das Team aus, für welche Fragen sensibilisiert, welche bereits bestehenden vorbildlichen Handlungspraxen veranschaulicht und welche strukturellen Reformvorschläge unter Einbeziehung des Forschungsstands weiter ausgearbeitet werden sollen. Dazu werden im Team unterschiedliche Materialien entwickelt, die z.T. mit Illustrationen von Arinda Crăciun veranschaulicht werden. Wegen der Corona-Krise wurden Ergebnisvorstellungen in den Partnerschulen verzögert und sind für das Winterhalbjahr 2020/21 in einer angepassten Form so geplant, dass sie auch als Video-Konferenzen und Webinare stattfinden können. Gemeinsam mit den Partner*innen werden außerdem sukzessive Möglichkeiten wahrgenommen, Impulse in die schulische Praxis und Bildungspolitik einzubringen.