Eng­lish ver­si­on below —

12.15 Uhr. Eng­lisch­un­ter­richt der 10. Klas­se an der Inter­na­tio­nal High School for Health Sci­en­ces in New York. Nach dem Lehr­plan muss ein Roman gele­sen und inter­pre­tiert wer­den. Das Beson­de­re an der Klas­se: Alle 27 Schü­le­rin­nen und Schü­ler, die an Grup­pen­ti­schen im Klas­sen­raum sit­zen, sind erst seit weni­gen Jah­ren in den USA. Sie wur­den als Eng­lisch­ler­nen­de auf Anfän­ger­ni­veau ein­ge­stuft, als sie die High School in der 9. Klas­se begon­nen haben. Die Eng­lisch­leh­re­rin weist auf das Smart­board hin, auf dem ein Menü mit sechs Auf­ga­ben erscheint. Die Schüler*innen kön­nen aus­wäh­len, in wel­cher Form sie den aus­ge­wähl­ten Roman wäh­rend der Unter­richts­stun­de wei­ter­le­sen wol­len. Die Leh­re­rin erläu­tert die Auf­ga­ben und betont, dass sie nicht nur lesen, son­dern auch Anmer­kun­gen machen sol­len. Sie ermu­tigt sie zu gegen­sei­ti­gen Erläu­te­run­gen: „Stellt sicher, dass alle an eurem Tisch die Auf­ga­ben ver­stan­den haben!“

Schulen für Englischlernende

Rasch ste­hen die Schü­le­rin­nen und Schü­ler von ihren Grup­pen­ti­schen auf und ver­tei­len sich selbst­stän­dig auf unter­schied­li­che Auf­ga­ben. Eini­ge holen sich Lap­tops aus einem Stahl­schrank und lau­schen einem E‑Book, wäh­rend sie zugleich den Text mit­le­sen. Eini­ge gehen auf den Flur, wo sie sich gegen­sei­tig vor­le­sen. Ein Schü­ler liest in einer chi­ne­si­schen Aus­ga­be des Buchs. Eini­ge arbei­ten mit Foto­ko­pien des 6. Kapi­tels in spa­ni­scher Spra­che. Pin­ke Post-Its sind all­ge­gen­wär­tig. Die Schü­ler und Schü­le­rin­nen nut­zen sie, um in eng­li­scher Spra­che Noti­zen zum Text anzu­fer­ti­gen und an Text­stel­len anzuheften.

Die­se Sze­ne konn­ten Lydia Heid­rich und ich wäh­rend eines Besuchs der Schu­le in der letz­ten Woche beob­ach­ten. Wir waren beein­druckt, wie rei­bungs­los und kon­zen­triert die Klas­se gear­bei­tet hat. Im Rah­men unse­res Auf­ent­halts wer­den wir noch zwei wei­te­re High Schools ken­nen­ler­nen, die wie die Inter­na­tio­nal High School for Health Sci­en­ces zum Inter­na­tio­nals Net­work for Public Schools gehö­ren. Die Netz­werk-Schu­len sind öffent­li­che Schu­len, die aus­schließ­lich neu Zuge­wan­der­te nach gemein­sa­men Grund­sät­zen unter­rich­ten, die sich gegen­sei­tig unter­stüt­zen und gemein­sam fortbilden.

Chinesisch lesen im Englischunterricht?

Sepa­ra­ter Unter­richt für neu Zuge­wan­der­te? Kein gemein­sa­mes Ler­nen mit in den USA sozia­li­sier­ten Jugend­li­chen? Chi­ne­sisch lesen im regu­lä­ren Eng­lisch­un­ter­richt? Das klingt für uns erst ein­mal sehr irri­tie­rend. Weil die Netz­werk­schu­len ver­gleichs­wei­se vie­le neu zuge­wan­der­te Schüler*innen zum Schul­ab­schluss brin­gen, ist es aber auch inter­es­sant. Nach Anga­ben des Netz­werks schaf­fen 77% der Schüler*innen an Netz­werk­schu­len ihr High School Diplo­ma inner­halb der Regel­zeit von 4 Jah­ren, wäh­rend Eng­lisch­ler­nen­den an ande­ren New Yor­ker Schu­len dies nur zu 33% gelingt (Resul­ta­te im Über­blick). Ein direk­ter Ver­gleich zu Deutsch­land lässt sich kaum her­stel­len, weil es in Deutsch­land unter­schied­li­che Schul­for­men und ein abge­stuf­tes Sys­tem unter­schied­li­cher Schul­ab­schlüs­se gibt. Auch in Deutsch­land wird dar­um gerun­gen, wie mehr Schüler*innen als bis­her zu einem qua­li­fi­zier­ten Schul­ab­schluss geführt wer­den können.

Grundsätze des Netzwerks in der Praxis

Daher inter­es­sie­ren wir uns dafür, was das Beson­de­re an die­sem Ansatz ist. Was bedeu­ten die Grund­sät­ze des Netz­werks in der Pra­xis? Ein ers­ter Ein­druck aus dem Englischunterricht:

  • Die Buch­aus­wahl: Im Buch „The Fault in Our Stars“ von John Green geht es um die Lie­bes­ge­schich­te zwei­er krebs­kran­ker Jugend­li­cher. Das berüh­ren­de Buch ist in unter­schied­li­che Spra­chen über­setzt und passt zum Schul­pro­fil Gesundheitswissenschaften.
  • Pro­jekt­ori­en­tier­te Koope­ra­ti­on der Lehr­kräf­te: Par­al­lel zur Buch­lek­tü­re im Eng­lisch­un­ter­richt geht es im natur­wis­sen­schaft­li­chen Unter­richt um Krebs und die Aus­wir­kun­gen auf den Kör­per. Fach­vo­ka­bu­lar und Aus­drucks­wei­se wer­den im Unter­richt für Eng­lisch als Zweit­spra­che ver­tieft. Was im mul­ti­dis­zi­pli­nä­ren Krebs­pro­jekt getan und gelernt wer­den soll, hängt als Ablauf­plan im Raum der Eng­lisch­leh­re­rin aus. (In den USA blei­ben die Lehr­kräf­te in der Regel in ihrem Raum, wäh­rend die Ler­nen­den die Räu­me wechseln).
  • Nut­zung von Mehr­spra­chig­keit: Da eini­ge Schüler*innen noch nicht so weit sind, dass sie das gesam­te Buch in eng­li­scher Spra­che schnell genug lesen kön­nen, kön­nen sie sich die Inhal­te in einer ande­ren Spra­che erar­bei­ten und bei der inhalt­li­chen Reflek­ti­on in eng­li­scher Spra­che aktiv mitmachen.
  • Lern­mög­lich­kei­ten für unter­schied­li­che Leis­tungs­ni­veaus: Alle Schüler*innen haben das ers­te und zwei­te Kapi­tel gele­sen. Schnel­le Leser*innen haben die Inhal­te des drit­ten bis fünf­ten Kapi­tels für alle zusam­men­ge­fasst. Das sechs­te Kapi­tel wird wie­der­um von allen gele­sen. Alle Schüler*innen wer­den in der nächs­ten Unter­richts­stun­de einen zwei­sei­ti­gen Bogen mit Reflek­tio­nen zu die­sem Kapi­tel bear­bei­ten, wobei sie auf ihre Post-It Noti­zen zurück­grei­fen können.
  • Ler­nen im Klas­sen­ver­band: Die Klas­se bleibt von der 9. bis zur 12. Klas­se zusam­men und wird von einem Jahr­gangs­team betreut. Sie sind mit­ein­an­der und mit den Lehr­kräf­ten ver­traut. Die Lehr­kräf­te arbei­ten mit glei­chen Metho­den, so dass Abläu­fe den Ler­nen­den ver­traut sind und nicht immer neu­er Erklä­run­gen bedürfen.

Wir haben für das Pro­jekt Tra­MiS einen Bericht über die Netz­werk­schu­len erstellt, in dem der Ansatz und sei­ne Ergeb­nis­se näher beleuch­tet wer­den:
Make Con­nec­tions – ask ques­ti­ons. Sprach­sen­si­ble Schu­len im Inter­na­tio­nals Net­work for Public Schools in New York (Vogel/Heidrich)

Übri­gens: Inter­na­tio­nal Schools sind in Deutsch­land Schu­len, die welt­weit aner­kann­te Schul­ab­schlüs­se in eng­li­scher Spra­che anbie­ten. Nach Anga­ben des Ver­ban­des inter­na­tio­na­ler Schu­len in Deutsch­land wer­den die 24 Mit­glieds­schu­len über­wie­gend von den Kin­dern aus­län­di­scher Expert*innen besucht, die in mul­ti­na­tio­na­len Unter­neh­men arbeiten.

— Eng­lish ver­si­on
(Trans­la­ted by Mar­gue­ri­te Lukes)

12:15 p.m.: a 10th gra­de Eng­lish class at the Inter­na­tio­nal High School for Health Sci­en­ces in Queens New York. Accord­ing to the cur­ri­cu­lum, stu­dents must read and ana­ly­ze a novel. What is spe­cial about this class is that all 27 stu­dents sit­ting at group tables in the class­room have only been in the USA for a few years. They were asses­sed as having no or limi­ted Eng­lish pro­fi­ci­en­cy when they star­ted high school in 9th gra­de. The Eng­lish tea­cher points to the smart­board, which dis­plays a six-task menu. Pupils can choo­se how they want to read the selec­ted novel during the les­son. The tea­cher exp­lains the tasks and stres­ses that they should not only read, but also anno­ta­te. She encou­ra­ges them to exp­lain each other: „Make sure ever­yo­ne at your table under­stands the tasks!”

Schools for English language Learners

The stu­dents get up quick­ly from their group tables and inde­pendent­ly dis­tri­bu­te them­sel­ves to work on dif­fe­rent tasks. Some get lap­tops out of a steel cabi­net and then lis­ten to an e‑book while rea­ding the text. Some go to the hall whe­re they read aloud to each other. One stu­dent reads in a Chi­ne­se edi­ti­on of the book. Some stu­dents work with pho­to­co­pies of Chap­ter 6 writ­ten in Spa­nish. Pink Post-Its are ever­y­whe­re. The stu­dents use them to make notes on the text in Eng­lish and to attach them to pas­sa­ges in the book.

Lydia Heid­rich and I obser­ved this sce­ne during a visit to the school last week in New York City. We were impres­sed with how smooth­ly and con­cen­tra­ted the class worked. As part of our visit, we will visit two other high schools that, like the Inter­na­tio­nal High School of Health Sci­en­ces, are part of the Inter­na­tio­nals Net­work for Public Schools. The net­work schools is com­pri­sed of public district-run schools that mutual­ly sup­port and deve­lop each other while enrol­ling exclu­si­ve­ly new immi­grant stu­dents and teach them accord­ing to a set of core princi­ples and essen­ti­al practices.

Reading Chinese in English lessons?

Sepa­ra­te clas­ses for new­ly arri­ved immi­grants? No clas­ses tog­e­ther with young peop­le born or socia­li­zed in the US? Rea­ding in Chi­ne­se during a regu­lar Eng­lish les­son? All of that seems very irri­ta­ting for us as Ger­mans. Becau­se the net­work schools are able to suc­cess­ful­ly sup­port a com­pa­ra­tively hig­her num­ber of new­co­mer stu­dents than tra­di­tio­nal schools to com­ple­te a secon­da­ry school diplo­ma, it is also qui­te intri­guing. Accord­ing to the Net­work, 77% of stu­dents at net­work schools com­ple­te their high school diplo­ma wit­hin the 4 years allot­ted, while only 33% of Eng­lish lear­ners at other New York high schools suc­ceed (results at a glance). A direct com­pa­ri­son with Ger­ma­ny can hard­ly be estab­lis­hed, becau­se in Ger­ma­ny the­re are dif­fe­rent types of secon­da­ry schools and a gra­dua­ted sys­tem of dif­fe­rent school qua­li­fi­ca­ti­ons. In Ger­ma­ny, too, the­re is deba­te over how more stu­dents can be led to a qua­li­fied school com­ple­ti­on certificate.

Network principles in Practice

The­re­fo­re, we are inte­res­ted in what is spe­cial about this approach. What do the princi­ples of the net­work mean in prac­ti­ce? A first impres­si­on from the Eng­lish class:

  • The Book Selec­tion: The book „The Fault in Our Stars” by John Green is about the love sto­ry of two teena­ge can­cer pati­ents. The tou­ch­ing book is trans­la­ted into dif­fe­rent lan­guages and fits the school pro­fi­le and topic Health Sciences.
  • Pro­ject-Ori­en­ted Inter­di­sci­pli­na­ry Tea­cher Col­la­bo­ra­ti­on: Par­al­lel to rea­ding the books in Eng­lish class, in sci­ence class stu­dents will focus on the topic of can­cer and its effects on the body. Sub­ject voca­bu­la­ry and idi­oms are deepe­ned in the tea­ching of Eng­lish as a second lan­guage. What needs to be done and lear­ned in the mul­ti­di­sci­pli­na­ry can­cer pro­ject is made trans­pa­rent to the stu­dent by a flow chart on the wall of the Eng­lish teacher’s room (In the US, tea­chers usual­ly stay in their room while lear­ners chan­ge rooms).
  • Stra­te­gic use of mul­ti­lin­gua­lism: Sin­ce some stu­dents are not yet rea­dy to read the ent­i­re book in Eng­lish quick­ly, they can work on the con­tent in ano­t­her lan­guage and actively par­ti­ci­pa­te in the reflec­tion on the con­tent which takes place in English.
  • Lear­ning oppor­tu­nities for dif­fe­rent levels of achie­ve­ment: All stu­dents must read the first and second chap­ters of the book. Pro­fi­ci­ent rea­ders sum­ma­ri­zed the con­tents of the third through fifth chap­ters for all the rest of the class. The sixth chap­ter is again read by all stu­dents. All stu­dents will work on a two-page assign­ment sheet with reflec­tions on this chap­ter in the next les­son, using their post-it notes.
  • Lear­ning in class: The class stays tog­e­ther as cohort from the 9th to the 12th gra­de and is super­vi­sed by an inter­di­sci­pli­na­ry team of tea­chers. Stu­dents and tea­chers get to know each other well. The tea­chers use simi­lar methods and stra­te­gies in the class­room, so stu­dents are fami­li­ar with struc­tures and pro­ce­du­res and do not always need new explanations.

We are pre­pa­ring a report on the Inter­na­tio­nals Net­work schools for the Tra­MiS pro­ject in Ger­man, which will high­light the approach and its results.

Inci­dent­al­ly, “inter­na­tio­nal schools” in Ger­ma­ny are schools that offer inter­na­tio­nal­ly reco­gni­zed degrees in Eng­lish. Accord­ing to the Asso­cia­ti­on of Inter­na­tio­nal Schools in Ger­ma­ny, the 24 mem­ber schools are main­ly atten­ded by child­ren of for­eign pro­fes­sio­nals who work in mul­ti­na­tio­nal companies.