In den letz­ten bei­den Wochen des Schul­jah­res fin­den am Aache­ner Cou­ven Gym­na­si­um (CG) regel­mä­ßig Pro­jekt­ta­ge statt. Jahr­gangs­über­grei­fend bie­ten Lehr­kräf­te und Schüler*innen Pro­jek­te zu unter­schied­li­chen The­men an. Als wir, das sind Tor­ben Ditt­mer und Fari­na Maletz, die Schu­le als eine von 12 Koope­ra­ti­ons­schu­len im Pro­jekt Tra­MiS besu­chen, bekom­men wir bei einer Schul­füh­rung einen Über­blick über die ver­schie­de­nen Aktio­nen. Eini­ge Flu­re der Schu­le sind abge­sperrt, da Schüler*innen Wän­de strei­chen und neu­ge­stal­ten. In der Aula pro­ben ver­schie­de­ne Musik- und Tanz­grup­pen. In einem ande­ren Raum bie­ten zwei Schü­le­rin­nen ein Pro­jekt zu japa­ni­scher Kunst an, dort bas­teln und malen etwas jün­ge­re Schüler*innen an zwei Tisch­grup­pen. Zufäl­lig bemer­ken wir, dass sich eine der Grup­pen auf Eng­lisch unter­hält. Wir fra­gen nach und die Siebtklässler*innen erklä­ren, dass einer der Vier erst seit Beginn des Schul­jah­res in Deutsch­land lebt und bes­ser Eng­lisch als Deutsch spricht. Das Wech­seln zwi­schen bei­den Spra­chen scheint für die Schüler*innen kei­ne Beson­der­heit zu sein.

Englischsprachiges und Naturwissenschaftliches Profil

Das liegt wohl auch dar­an, dass das CG seit 30 Jah­ren über einen bilin­gua­len Zweig ver­fügt und erwei­ter­ten Eng­lisch­un­ter­richt anbie­tet. Das zwei­spra­chi­ge Pro­fil wird gera­de umge­stellt. Ab dem Schul­jahr 2019/20 neh­men alle Schüler*innen der Jahr­gän­ge 5 bis 6 dar­an teil und erhal­ten zusätz­li­chen Eng­lisch­un­ter­richt. Ab dem 7. Jahr­gang wer­den nach und nach auch Sach­fä­cher in eng­li­scher Spra­che unter­rich­tet. Alter­na­tiv zum bilin­gua­len Pro­fil besteht die Mög­lich­keit im 7. Jahr­gang den natur­wis­sen­schaft­li­chen Zweig zu wählen.

Bei­de Pro­fi­le sind wich­ti­ge Stand­bei­ne der Schu­le und für vie­le Eltern ein Grund, das CG zu wäh­len, erklärt uns der Schul­lei­ter. Zukünf­tig sol­len bei­de Pro­fi­le stär­ker mit­ein­an­der ver­schränkt wer­den und ver­mehrt die Natur­wis­sen­schaf­ten in eng­li­scher Spra­che unter­rich­tet wer­den. Aachen ist ein wich­ti­ger Stand­ort für tech­ni­sche Stu­di­en­gän­ge und gera­de für ange­hen­de Ingenieur*innen ist Eng­lisch als inter­na­tio­na­le Lin­gua Fran­ca wich­tig, damit sie sich in mul­ti­na­tio­na­len Unter­neh­men ver­stän­di­gen kön­nen. In der For­schung wird oft nur noch auf Eng­lisch gear­bei­tet. „Die Wis­sen­schafts­spra­che ist Eng­lisch“, so der Schulleiter.

Von dem zwei­spra­chi­gen Pro­fil kön­nen neu zuge­wan­der­te Schüler*innen mit guten Eng­lisch­kennt­nis­sen, wie im ein­gangs beschrie­be­nen Bei­spiel, pro­fi­tie­ren.  Beson­ders in der Anfangs­pha­se, wenn die Schüler*innen mit dem Deutsch­ler­nen begin­nen, kann die Mög­lich­keit, sich auf Eng­lisch zu ver­stän­di­gen, das Ankom­men an der Schu­le erleich­tern. Eini­ge neu zuge­wan­der­te Fami­li­en, die das CG vor allem auf­grund des bilin­gua­len Pro­fils wäh­len, haben aber fal­sche Vor­stel­lun­gen von der zwei­spra­chi­gen Aus­rich­tung und gehen davon aus, dass der Unter­richt fast aus­schließ­lich auf Eng­lisch statt­fin­det, berich­tet uns der Schulleiter.

Ankommen in aachen

Eine DaZ-Leh­re­rin erzählt in einem unse­rer Inter­views von einer Schü­le­rin, die bereits mehr­fach migriert ist und zuletzt in Eng­land zur Schu­le gegan­gen ist. Die Schü­le­rin habe viel Zeit gebraucht, um sich auf das neue schu­li­sche Umfeld in Aachen ein­zu­stel­len. Beson­ders in der Anfangs­zeit habe das Mäd­chen vor allem ihre Kon­tak­te nach Eng­land gepflegt und in der Schu­le fast aus­schließ­lich Eng­lisch gespro­chen. Erst nach dem zwei­ten Schul­jahr konn­te sich das Mäd­chen auf die neue Schu­le ein­stel­len, erin­nert sich die Leh­re­rin. Das ist in der Regel aber der Zeit­punkt, nach­dem die Erst­för­de­rung für die Schüler*innen in den Deutsch­lern­klas­sen endet und der Über­gang in eine Regel­klas­se vor­ge­se­hen ist – vor­aus­ge­setzt die gym­na­sia­le Eig­nung wird festgestellt.

Sprachanforderungen für das Abitur

Neu zuge­wan­der­te Kin­der und Jugend­li­che am CG kom­men aus unter­schied­li­chen Her­kunfts­län­dern und es gibt eine Viel­zahl an Migra­ti­ons­ge­schich­ten und Fami­li­en­hin­ter­grün­den. Nicht alle Schüler*innen konn­ten in ihrer vor­he­ri­gen Schul­lauf­bahn Eng­lisch­kennt­nis­se erwer­ben, die den Leis­tungs­an­for­de­run­gen des bilin­gua­len Gym­na­si­ums ent­spre­chen. Im Rah­men der G8-Rege­lung kam am CG bis­her ab der 6. Klas­se auch noch eine zwei­te Fremd­spra­che, Fran­zö­sisch oder Latein, hinzu.

Die Schüler*innen kön­nen nicht alles gleich­zei­tig machen“, betont die inter­view­te DaZ-Leh­re­rin und ver­weist auf die Rege­lung, dass neu zuge­wan­der­te Schüler*innen maxi­mal zwei Jah­re inten­si­ve Deutsch­för­de­rung in den „Inter­na­tio­na­len Klas­sen“ erhal­ten. Nach die­sen zwei Jah­ren wird über die gym­na­sia­le Eig­nung und die Auf­nah­me in eine der Regel­klas­sen des CG ent­schie­den. Nach den Erfah­run­gen der Leh­re­rin, gibt es immer wie­der Schüler*innen, die mehr Zeit benö­ti­gen, um den gym­na­sia­len Anfor­de­run­gen im sprach­li­chen Bereich zu ent­spre­chen und sich auf das neue Umfeld ein­zu­stel­len, beson­ders dann, wenn anders als im geschil­der­ten Fall auch noch Eng­lisch­kennt­nis­se auf­ge­holt wer­den müs­sen. Für eine Anschluss­för­de­rung im Deut­schen – so die Leh­re­rin – bleibt auf­grund des dich­ten Stun­den­plans wenig Freiraum.

Längere Deutschförderung als Ausnahmeregelung

Für den beschrie­be­nen Fall der Schü­le­rin, die von Eng­land nach Deutsch­land kam, konn­te eine ande­re Lösung gefun­den wer­den: Die Klas­sen­kon­fe­renz konn­te erst­mals beschlie­ßen, dass die Schü­le­rin ein drit­tes Jahr in der Deutsch­lern­klas­se ver­blei­ben darf und erst dann über ihre gym­na­sia­le Eig­nung ent­schie­den wird. Damit ver­zö­gert sich zwar auch das Ler­nen in eini­gen Fächern, aber es ist klar, dass die Schü­le­rin auf den Weg zum Abitur gebracht wird – vor­aus­ge­setzt sie bleibt in Deutschland.

Die Schü­le­rin kann sich auf Eng­lisch so per­fekt ver­stän­di­gen, dass es über­haupt kei­nen Grund gibt, sie nicht auf dem Gym­na­si­um zu las­sen“, ist ihre Leh­re­rin über­zeugt. Die Ent­schei­dung der ver­län­ger­ten Deutsch­för­de­rung in der Inter­na­tio­na­len Klas­se geht auf eine Erlass­än­de­rung zurück, nach der Schüler*innen, deren Leis­tungs­un­ter­schie­de auf unzu­rei­chen­de Kennt­nis­se der Unter­richts­spra­che zurück­zu­füh­ren sind, nicht benach­tei­ligt wer­den dür­fen. „Ich war sehr dank­bar, dass die Kolleg*innen da mit­ge­spielt haben“, berich­tet die Leh­re­rin, denn nach ihren Anga­ben han­delt es sich um eine Aus­nah­me­re­ge­lung, die von der Aus­le­gung der Lehr­kräf­te abhängt.

Nach unse­rem Ein­druck bie­tet das CG inter­es­san­te Per­spek­ti­ven für inter­na­tio­nal ori­en­tier­te Schüler*innen mit guten Eng­lisch­kennt­nis­sen. Weil Eng­lisch in eini­gen Fächern Unter­richts­spra­che ist, kön­nen sie die­se gut hal­ten und aus­bau­en. Trotz­dem ler­nen sie zusätz­lich Deutsch auf gym­na­sia­lem Niveau, was Ihnen hilft, falls sie mit ihren Eltern in Deutsch­land blei­ben. Zugleich haben nur Deutsch sozia­li­sier­te Schüler*innen die Chan­ce, ein bes­se­res Eng­lisch aus­zu­bil­den, als es im rei­nen Fremd­spra­chen­un­ter­richt mög­lich ist.

Anerkennung von Herkunftssprachen

Uns beein­druck­te auch das Enga­ge­ment eini­ger Lehr­kräf­te, die Poten­zia­le neu zuge­wan­der­ter Schüler*innen zu erken­nen und ihnen einen Weg zum Abitur zu ermög­li­chen. Ein län­ge­rer Ver­bleib in einer Inter­na­tio­na­len Klas­se scheint unter den gegen­wär­ti­gen Bedin­gun­gen für eini­ge Schüler*innen ein geeig­ne­ter Weg zu sein. Lang­fris­tig erscheint es aber logi­scher, an den sprach­li­chen Anfor­de­run­gen zum Abitur zu arbei­ten. Die Aner­ken­nung der Her­kunfts­spra­chen könn­te bes­ser in den Regel­un­ter­richt inte­griert wer­den, damit nie­mand, der außer Deutsch und Eng­lisch schon eine wei­te­re Spra­che spricht, mit einer soge­nann­ten „zwei­ten Fremd­spra­che“ anfan­gen muss. Auch kann dar­über nach­ge­dacht wer­den, wie Abitur­auf­ga­ben sprach­lich bes­ser zugäng­lich gemacht wer­den können.