Ein enga­gier­tes, nahe­zu voll besetz­tes Kol­le­gi­um, Team­ar­beit, gut aus­ge­stat­te­te Räu­me, gro­ße licht­durch­flu­te­te Flu­re, viel­fäl­ti­ge Sport- und Frei­zeit­mög­lich­kei­ten – die 101. Ober­schu­le „Johan­nes Guten­berg“ (OJG) in Dres­den bie­tet Lern- und Lehr­be­din­gun­gen, die sich vie­le ande­re Schu­len wün­schen wür­den. Das ist unser Ein­druck nach zahl­rei­chen Gesprä­chen, die wir bei einem For­schungs­be­such im Rah­men des Pro­jekts Tra­MiS im Sep­tem­ber 2019 füh­ren konnten.

Geringe ANwahl Außerhalb des Stadtteils, trotz guter Ergebnisse

Den­noch steht die Schu­le sel­ten auf der Wunsch­lis­te von Eltern außer­halb des Stadt­teils Johann­stadt Nord, wenn die­se in der 4. Klas­se eine wei­ter­füh­ren­de Schu­le für ihr Kind suchen. In Sach­sen haben Eltern die Wahl zwi­schen Gym­na­si­en und Ober­schu­len, die bis zum Haupt­schul- oder mitt­le­ren Schul­ab­schluss (Real­schul­ab­schluss) füh­ren. Wenn Kin­der an den Wunsch­schu­len der Eltern nicht ange­nom­men wer­den und der OJG zuge­lost wer­den, neh­men sie den Schul­platz oft nicht an und brin­gen ihre Kin­der z.B. an einer Pri­vat­schu­le unter, so die Schul­lei­tung. Die Zahl der Schu­len in frei­er Trä­ger­schaft ist in Sach­sen in den letz­ten Jah­ren vor allem im Gym­na­si­al­be­reich stark gestiegen.

Als Begrün­dung für die gerin­ge Anwahl der Schu­le ver­mu­tet das Kol­le­gi­um eine Art abschre­cken­de Wir­kung eines hohen Anteils an Schüler*innen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund. Dahin­ter ste­he die Annah­me der Eltern, dass ihre Kin­der an einer sol­chen Schu­le nicht so gute Leis­tun­gen erbrin­gen kön­nen. Ein Fehl­schluss, wie wir der Erläu­te­rung des Schul-Sozi­al­ar­bei­ters ent­neh­men: „Obwohl unse­re Schu­le in Dres­den den höchs­ten Anteil an Kin­dern mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund hat, liegt sie mit ihren Abschlüs­sen im obe­ren Drittel“.

Anerkennung von Vielfalt

Als ein Haupt­grund für den Erfolg der Schu­le wird in Gesprä­chen die Akzep­tanz von Diver­si­tät und die enga­gier­te Zusam­men­ar­beit aller Beschäf­tig­ten her­vor­ge­ho­ben. Mit ihrem inklu­si­ven und schü­ler­zen­trier­ten Ansatz füh­re die Schu­le auch sol­che Jugend­li­chen zu einem guten Abschluss, die an ande­ren Schu­len nicht auf­ge­nom­men oder nicht beson­ders geför­dert wer­den, so der Schul­so­zi­al­ar­bei­ter der OJG. Der Sozi­al­päd­ago­ge orga­ni­siert an der OJG offe­ne Ange­bo­te, wie den Schul­club, aber auch Ein­zel­be­ra­tun­gen, in denen Fähig­kei­ten zur Selbst­hil­fe ver­mit­telt wer­den. Er ver­steht sich als Ansprech­per­son für alle Schüler*innen mit ganz unter­schied­li­chen Fra­gen, und dies nicht nur im Fall von Pro­ble­men. „Am Ende des Schul­jah­res ken­nen mich alle und ich ken­ne fast alle“, beschreibt der enga­gier­te Sozi­al­ar­bei­ter das Ergeb­nis sei­nes offe­nen päd­ago­gi­schen Ansat­zes in der Schu­le mit ins­ge­samt rund 450 Schüler*innen der Klas­sen 5 bis 10.

Binnendifferenzierung und Teamteaching

Eine Leh­re­rin hebt beson­ders die Kom­pe­ten­zen vie­ler Lehr­kräf­te der OJG im dif­fe­ren­zier­ten Unter­richt her­vor. Die­se Kom­pe­ten­zen wer­den zuneh­mend wei­ter­ent­wi­ckelt. So ist eine Leh­re­rin mit Unter­richts­stun­den frei­ge­stellt, um im Rah­men eines „Kom­pe­tenz­zen­trums sprach­li­che Bil­dung“ ande­re Kolleg*innen, aber auch außer­schu­li­sche Insti­tu­tio­nen mit Tipps und Mate­ria­li­en für den sprach­sen­si­blen Fach­un­ter­richt zu unter­stüt­zen und zu beraten.

An der Schu­le wird zuneh­mend in mul­ti­dis­zi­pli­nä­ren Teams bin­nen­dif­fe­ren­ziert unter­rich­tet. Eine Erzie­he­rin, die an der OJG als Inklu­si­ons­as­sis­ten­tin mit Lehr­kräf­ten im Klas­sen­raum koope­riert, beschreibt das als Pro­zess: „Wenn man immer für alle allein zustän­dig war, muss man sich an Team­tea­ching erst gewöh­nen.“ Vie­les wird bis­her nur auf Pro­jekt­ba­sis umge­setzt, die Schu­le strebt aber Ver­ste­ti­gung an.

OJG beliebt bei jungen Lehrkräften

Der Wand­lungs­pro­zess geht ein­her mit einer Ver­jün­gung des Kol­le­gi­ums, wie eine Leh­re­rin berich­tet, die bereits zu DDR-Zei­ten an der Schu­le unter­rich­te­te. Dies ist auch mög­lich, weil offe­ne Lehrer*innenstellen an der Schu­le in der Regel besetzt wer­den kön­nen, da es jun­ge Referendar*innen gibt, die ger­ne an der OJG unter­rich­ten möchten.

Niedrigschwelliger Kontakt zu den Klassenlehrer*innen

In der Regel sind alle Lehr­kräf­te von 8 bis 15 Uhr an der Schu­le. Für sie gibt es an der OJG fes­te Arbeits­räu­me, die sich jeweils zwi­schen zwei Klas­sen­räu­men befin­den. In klei­nen Teams kön­nen Lehr­kräf­te hier den Unter­richt vor­be­rei­ten und Pau­sen ein­le­gen. Klassenlehrer*innen wer­den in Räu­men in unmit­tel­ba­rer Nähe zu ihren Klas­sen plat­ziert, was einen nied­rig­schwel­li­gen Kon­takt zu Schüler*innen außer­halb der Unter­richts­zei­ten ermöglicht.

Eigenverantwortliches Arbeiten im Kunstunterricht

Die Schul­lei­te­rin hat den Kunst­un­ter­richt als beson­ders geeig­net iden­ti­fi­ziert, um Impul­se für eine neue Schul- und Unter­richts­kul­tur zu set­zen So fin­den hier Ver­su­che mit eigen­ver­ant­wort­li­chem Ler­nen statt, indem die Schüler*innen im selbst­ge­steu­er­ten Arbeits­tem­po an ihren Wer­ken arbei­ten und den Zeit­punkt der Abga­be selbst bestim­men. Sie kön­nen dabei auch einen Mate­ri­al- und Vor­be­rei­tungs­raum nut­zen, der frü­her nur Lehr­kräf­ten vor­be­hal­ten war. Der Kunst­un­ter­richt ist beson­ders für Expe­ri­men­te in der Unter­richts­ge­stal­tung geeig­net, weil der Lehr­plan hier weni­ger strik­te Vor­ga­ben macht, teilt uns die Schul­lei­te­rin mit. Die Klas­sen­räu­me sind eher klein und bie­ten begrenz­te Dif­fe­ren­zie­rungs­mög­lich­kei­ten. Die räum­li­chen Vor­aus­set­zun­gen sol­len in eini­gen Jah­ren beim Umzug in ein neu­es Schul­ge­bäu­de ver­bes­sert werden.

Potenziale der Schule nach außen tragen

Eini­ge der Eltern, mit denen wir spre­chen konn­ten, schil­dern uns das enga­gier­te Kol­le­gi­um als größ­ten Vor­zug der Schu­le. Wer auf einem Gym­na­si­um nicht genug geför­dert wird, kann an der OJG einen guten Schul­ab­schluss machen.

Ins­ge­samt drängt sich der Ein­druck auf, dass die Vor­zü­ge der OJG über die Schu­le hin­aus noch nicht bekannt genug sind. Aber auch dar­an wird gear­bei­tet. So war zum Zeit­punkt des Besuchs eine inter­ak­ti­ve Web­site in Vor­be­rei­tung, über die nicht nur neue Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mög­lich­kei­ten mit Eltern erprobt wer­den sol­len, son­dern die auch schu­li­sche Poten­tia­le nach außen bes­ser sicht­bar machen soll.