Auf dem Weg zur Stadtteilschule – die Herbert Grillo – Gesamtschule in Duisburg-Marxloh
Wir stehen mit dem Schulleiter der Herbert Grillo – Gesamtschule (HGG) auf einem gepflasterten Platz vor dem Schulgelände. Ein paar Anwohner*innen und Schüler*innen sind hier unterwegs. Bis vor ein paar Jahren stand hier noch eine Kirche, die nach längerem Leerstand abgerissen wurde. In einem der Altbauhäuser am ehemaligen Kirchplatz ist die Initiative „Tausche Bildung für Wohnen“ untergebracht. Hier können junge Menschen Bildungspatenschaften für benachteiligte Kinder übernehmen und im Gegenzug mietfrei in Duisburg wohnen. In einem anderen Haus, vor dem noch ein Bauzaun steht, ist eine Unterkunft für minderjährige unbegleitete Geflüchtete geplant.
Der Schulleiter zeigt uns Entwürfe für das neue Gebäude, welches auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes entstehen soll. Geplant ist ein Ort der Begegnung und der Bildung, in dem die Gesamtschule mit vielen Initiativen im Stadtteil zusammenarbeiten will. „Campus Marxloh“ soll das multiprofessionelle Stadtteilzentrum heißen. Vor Kurzem waren die Architekt*innen hier, um die Anforderungen an die Architektur mit den Nutzer*innen des neuen Gebäudes partizipativ zu entwickeln.
Außerschulische Vernetzung
Bereits jetzt ist die HGG eng mit außerschulischen Partnern vernetzt. „Ich bin überwältigt davon, was hier Hand in Hand läuft“, erklärt uns eine Lehrerin, die erst seit kurzem an der Schule unterrichtet, bei unserem Besuch der nordrhein-westfälischen Gesamtschule im Juni 2019. Die Schule ist eine von 12 Kooperationsschulen im Projekt TraMiS, die uns, Torben Dittmer und Matthias Linnemann, einen Einblick in die Vielfalt ihrer Kooperationen gegeben hat.
In dem geplanten Neubau sollen Kooperationspartner Platz finden, die zurzeit noch in den alten Schulgebäuden untergebracht sind. Die Mittagsbetreuung des katholischen Jugendwerkes Oberhausen („Die Kurbel“) etwa findet derzeit noch im Eingangsbereich der Schule auf dem Flur statt. An der überbelegten Schule herrscht ganz offensichtlich Platzmangel. Durch die räumliche Entlastung der Erweiterung sollen mehr Räume für den Unterricht verfügbar werden.
AG’s und Schüler*innenfirmen
Die Schule holt aber nicht nur Kooperationspartner in die Schule hinein, sie wirkt auch in den Stadtteil zurück. Die Sanitäts-AG etwa wird in Kooperation mit dem Deutschen Roten Kreuz angeboten und dann für diverse Veranstaltungen in der ganzen Stadt gebucht. In der Grundschul-AG helfen Schüler*innen der HGG jüngeren Schüler*innen der nahegelegenen Grundschule bei den Hausaufgaben. Im Projekt „beWiesen!“ renovieren Schüler*innen Wohnungen in Marxloh, die dann sozialen Projekten zur Verfügung gestellt werden. Mit dieser Arbeit können die Jugendlichen ihre handwerklichen Fähigkeiten unter Beweis stellen und berufspraktische Kompetenzen erwerben. Die Schülerfirma „back 4 you“ sorgt nicht nur für das Catering auf Schulfesten, sondern nimmt auch externe Aufträge entgegen und bietet die selbstproduzierten Backwaren beispielsweise auf Theater- und Kabarettveranstaltungen an. Diese finden in Kooperation mit dem städtischen Projekt „Der Spielkorb“ auch in der Mensa der Schule statt.
Dass die Mensa für solche Veranstaltungen genutzt wird, ist nicht auf Platzmangel zurückzuführen, die Schule hat auch eine Aula. Diese liegt aber versteckt in einem hinteren Teil des alten Schulgebäudes, während sich die Mensa mit ihrer Glasfassade zum Stadtteilplatz öffnet. Der Weg in die Schule soll somit leicht gemacht werden.
Elternkooperation
„Niedrigschwellig“ ist auch das leitende Motto für den Kontakt mit Eltern. Viele Familien leben seit Jahrzehnten im Stadtteil. Der Kontakt mit Lehrkräften ist für sie selbstverständlich und bei Bedarf helfen sie in der Schule. Einige neu zugezogene Eltern haben selbst wenig Bildung genossen und wissen noch nicht, wie lange sie bleiben wollen und können. Sie verstehen wenig Deutsch und können z.T. auch nicht lesen. Diese Eltern kommen – so die Erfahrung der Schule bislang – zu Sprechtagen ebenso selten, wie zu einem wöchentlich angebotenen mehrsprachigen Elterntreff. In der Schule wird daher experimentiert, wie auch sie erreicht werden können. Gute Erfahrungen hat z.B. eine Lehrerin mit dem Messenger „WhatsApp“ gemacht, über den sie auf Türkisch mit einigen Müttern aus Bulgarien kommuniziert, etwa bei einer Krankmeldung. Ihre Sprachkenntnisse helfen ihr und anderen mehrsprachigen Lehrkräften. Sehr gut besucht werden auch die Sprechzeiten der „interkulturellen Beraterinnen“, die auf Türkisch, Kurdisch, Bulgarisch und Rumänisch bei Problemen aller Art beraten und auch mit Behörden Kontakt aufnehmen, wenn die Eltern Hilfe brauchen.
Schule als soziale Akteurin
Großstädtische Schulen in Stadtteilen mit günstigen Mieten haben besondere Aufgaben zu bewältigen, damit alle Jugendlichen ihre Bildungspotentiale ausschöpfen können. Diese Stadtteile sind durch hohe Fluktuation und niedrige Einkommen gekennzeichnet. Wenn sie sich auf Unterricht nach Vorschrift beschränken, werden sie den Lebenslagen und Bildungsbedürfnissen ihrer Schüler*innen nicht gerecht. Die Herbert Grillo – Gesamtschule hat sich auf ihre Rolle als wichtige soziale und kulturelle Akteurin im Stadtteil eingestellt und organisiert die für ihre erfolgreiche pädagogische Arbeit notwendige Vernetzungen systematisch und langfristig.
Ein Beitrag von:
Torben Dittmer
Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt TraMiS
Matthias Linnemann
Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt TraMiS